Interkulturell Interessierte können sich auf einen spannenden Leseabend am 27. Juni 2017 ab 19:30 Uhr in den Räumlichkeiten der Galerie Alte Feuerwache freuen. Dazu lädt die Abteilung Interkulturelle Germanistik der Universität Göttingen in der Reihe „Lesergespräche Interkultureller Germanistik“ herzlich ein. Im Rahmen des Programms „Kulturen in Kontakt – Artists in Residence“ heißt sie in diesem Jahr den chinesischen Autor Yu Yiming (*1963) willkommen. Das Motto des Lesergesprächs “Schule MACHT krank” lässt erahnen, welche Perspektive insbesondere auf das chinesische Bildungssystem eingenommen wird, denn Herr Yu ist nicht nur Autor, sondern auch Oberstufenlehrer an der Fremdsprachenschule Nanjing. In vielen seiner Werke beschreibt er den schulischen Alltag in China. Dabei wird nicht nur ein kritischer Blick in die Zukunft geworfen. Seine Kurzgeschichten gewähren auch Einblicke in historische Ereignisse wie die Kulturrevolution (1966 – 1976), die nach wie vor Einfluss auf die Gegenwart nehmen.
Yu Yiming wohnt seit Mitte Mai 2017 in Göttingen. Nicht zuletzt wegen der strengen Zensur, denen Neuerscheinungen in China unterliegen, ist es dem Autor ein Anliegen, seine Werke auch einem nicht-chinesischen Publikum zu präsentieren. In den Studierenden der Abteilung Interkulturelle Germanistik findet er besonders interessierte Zuhörer. Denn mit ihm können sie viele Fragen zum Kulturverstehen, denen sie sich bisher vor allem theoretisch angenähert haben, im konkreten Austausch diskutieren: Was bedeutet es, wenn jede kulturelle Gemeinschaft eine eigene Realität und Wahrheit für sich beansprucht? Wie lässt sich herauszufinden, welche Themen für eine bestimmte Kultur relevant sind?
Das Lesergespräch ist das Ergebnis eines Übersetzungsexperiments, in dem die Wechselwirkung der Sprachen diese und andere Fragen aufgeworfen hat. In gemeinsamer Feinarbeit übersetzten Studierende aus China, Italien und Deutschland zwei chinesische Kurzgeschichten Yu Yimings ins Deutsche. Viele Stunden saß man zusammen, betrachtete Wort für Wort und Satz für Satz und brachte diese letztendlich in eine geeignete deutsche Übersetzung. Diese Arbeit erforderte große Konzentration und vor allem gute Zusammenarbeit. Entscheidend waren die Überlegungen der Übersetzer. Gibt man den Wortlaut eines Textes direkt oder sinngemäß wieder? Ist es einem deutschsprachigen Publikum zuzumuten, den Sinn hinter der chinesischen Ausdrucksweise „saure Trauben essen“ zu begreifen? Oder schreibt man doch lieber die Worte „in den sauren Apfel beißen“ und nimmt die Gefahr auf sich, eine chinesische Redensart zu verfälschen? Ist der Ausdruck „saure Trauben“ hier eine Metapher für ein Gefühl der Bitterkeit oder meint es ähnlich wie der „saure Apfel“ eher „Augen zu und durch“? Die Studierenden legen für jede Erzählung zwei Übersetzungsvarianten vor. Der Vergleich der Übersetzungen – auch im Spiegel des chinesischen Ausgangstextes – lädt zum Gespräch mit dem Autor und den Übersetzern ein.
Ein Blog zum Aufenthalt von Yu Yiming in Göttingen findet sich hier:
https://artistsgoenan.wordpress.com/artists/yu-yiming/
Träger des Kooperationsprogramms Kulturen in Kontakt – Artists in Residence sind das Goethe-Institut Beijing/Nanjing in China und das Deutsch-Chinesische Institut für Interkulturelle Germanistik und Kulturvergleich (DCIIKG) mit Unterstützung des Akademischen Konfuzius Instituts an der Georg-August-Universität Göttingen.
Die Lesung und Diskussion richten sich an all jene mit Interesse an chinesischer Gesellschaftskultur und deren Verarbeitung in der Literatur. Fachliche Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Die Lesung und das Gespräch werden gedolmetscht. Auch möchten wir Journalisten zur Teilnahme ermutigen und bitten um Veranstaltungshinweis beziehungsweise um Aufnahme in den Veranstaltungskalender.